Prof. Dr. Gerhard Vinnai

Universität Bremen

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Sozialpsychologische Hintergründe von Krieg und Terrorismus

Die folgenden Thesen, die aus der Perspektive einer psychoanalytisch orientierten Sozialpsychologie entwickelt wurden, wollen Hinweise auf Sachverhalte geben, die bei der gegenwärtigen Auseinandersetzung über Krieg und Terrorismus zu wenig Berücksichtigung finden. Sie versuchen das gründlichere Nachdenken über psychologische Aspekte des aktuellen gewaltsamen Konfliktgeschehens und seiner sozialen Hintergründe zu provozieren.

Der heilige Krieg

Alle Kriege müssen als 'Heilige Kriege' geführt werden. Die Terroristen wollen einen heiligen islamischen Krieg entfachen. Der US-Präsident Bush hat zu Beginn des westlichen Militäreinsatzes zum Kreuzzug gegen den Terrorismus aufgerufen, er hat also einen heiligen Krieg gegen den Terrorismus propagiert. Dass Kriege mehr oder weniger offen als heilige Kriege geführt werden müssen, hat mit der Beziehung von Krieg und Tötungstabu zu tun. Das Tötungstabu ist ein zentrales Tabu jeder Kultur. Dass man andere Menschen nicht töten darf, ist im Christentum in den heiligen Zehn Geboten Moses verankert, und der Religionsstifter Jesus gebietet es denen, die an ihn glauben. In religiös geprägten Gesellschaften ist das Tötungstabu ein heiliges Tabu, auch in modernen Gesellschaften, die ihre sozialen Normen nicht mehr religiös begründen, wird dem Verbot, anderen Menschen das Leben zu rauben, ein sehr hoher Wert beigemessen. Zu seinem Schutz wird die Staatsgewalt eingesetzt, die es mit Hilfe der Polizei, von Gerichten und Gefängnissen verteidigt. Im Krieg wird dieses Tötungstabu aufgehoben. Es kommt zu seiner Umkehrung, wenn der Staat von Soldaten fordert: „Du sollst andere Menschen töten.“ Die Aufhebung eines heiligen Tabus verlangt besonders heilige Begründungen, die allein seine Außerkraftsetzung zu legitimieren erlauben. Die heilige Regel darf nur außer Kraft gesetzt werden, wenn alles Heilige als bedroht erscheint. In gegenwärtigen westlichen Kulturen muss die Aufhebung des Tötungstabus immer mit der Verteidigung ihrer höchsten kulturellen Werte begründet werden. Der Militäreinsatz gegen den Terrorismus muss z.B. als Verteidigung des Lebensrechtes aller Menschen oder als Kampf um die Verteidigung einer Freiheit dargestellt werden, die es für viele Menschen vielleicht gar nicht gibt.

Dass alle Krieg als heilige Kriege geführt werden müssen, beeinflusst entscheidend das Denken und Erleben von Menschen in kriegführenden Gesellschaften, auf das die Kriegspropaganda zielt. In heiligen Kriegen muss der Feind immer das teuflische Böse repräsentieren, während das eigene Lager immer als Verkörperung des reinen Guten erscheint. Der heilige Krieg verlangt, dass Kriege immer als Notwehrakte gegen einen heimtückischen Feind erscheinen, der friedliebende Völker dazu gezwungen hat, zu den Waffen zu greifen.

Die für den Krieg erforderliche Aufhebung des Tötungstabus verschiebt die Grenzen zwischen Bewusstem und Unbewusstem. Unbewusstes, das bisher mit Hilfe von Geboten abgewehrt wurde, kann durch deren Aufhebung einen verstärkten Einfluss erlangen. Bisher Verdrängtes und Verleugnetes gewinnt entscheidend an Macht. Das sorgt für eine Tendenz zur Irrationalisierung des kollektiven Denkens, besonders zu Kriegsbeginn. Mit der Aufhebung des Tötungstabus wird eine Freisetzung von ansonsten verbotenen Aggressionen legitimiert. Das führt dazu, dass Kriege immer viel schlimmer ausfallen, als vor ihrem Beginn angenommen wurde. Auch außerhalb des Bereiches des unmittelbaren Kriegsgeschehens führt die Aufhebung des Tötungstabus allzu leicht zu einer Freisetzung destruktiver Energien.

Die Aufhebung des Tötungstabus im Heiligen Krieg hat weitreichende sozialpsychologische Konsequenzen, eine dieser Konsequenzen besteht darin, dass es gegenwärtig sehr schwer ist, vernünftig über Krieg zu diskutieren.

Der Liebeskrieg

Kriege haben ihre psychologische Basis keineswegs nur in Aggressionen, sie sind auch mit Liebesregungen verbunden. Vor allem durch diese werden sie legitimiert. Männer, die als Soldaten ins Feld ziehen, können sich dazu durch ihre Liebe zu ihren Frauen und Kindern gezwungen sehen, die als vom Feind bedroht erscheinen. Im Krieg wird die Liebe zum Vaterland, zur eigenen Nation, zur Heimat, zum eigenen Gott beschworen. Die Psychoanalyse kann helfen sichtbar zu machen, was sich hinter derartigen Liebesbindungen verbirgt. Sie wurzeln vor allem in infantilen Bindungen an die Herkunftsfamilie, die unbewusst auf im Kampf befindliche eigene soziale Kollektive übertragen werden. Sigmund Freud hat deutlich gemacht, dass es im Krieg zu kollektiven Regressionen kommt, also zu kollektiven Rückfällen in der psychischen Entwicklung. Solche Regressionen erleichtern es besonders, dass Gefühlsbindungen, die einst Vater, Mutter oder den Geschwistern galten, auf das soziale Kollektiv übertragen werden, dem man sich zugehörig fühlt. Die Liebe zum Vaterland wurzelt in der kindlichen Liebe zu den Vätern, die Liebe zu Heimat und Nation hat ihre emotionale Basis in der Liebe zur Mutter.

Die Liebe der Soldaten gilt nicht zuletzt auch ihren Waffen, die das eigene Selbst machtvoll aufzurüsten vermögen. Beim Militär gilt das Gewehr als „Braut des Soldaten“. Der moderne Soldat ist von Panzern, Raketen oder Flugzeugen fasziniert, deren perfekter Einsatz ihm imponiert.

Eine besondere Rolle im Krieg spielt aber auch die Liebe zu den Kriegskameraden. Militärpsychologen haben herausgefunden, dass die Soldaten, psychologisch betrachtet, in erster Linie für ihre Kameraden kämpfen und dass Kriegstraumatisierungen deshalb fast immer mit dem Verlust von Kameraden verknüpft sind. Audie Murphy, der im zweiten Weltkrieg am höchsten dekorierte amerikanische Soldat, antwortete auf die Frage, was ihn dazu bewegt habe, seine Feinde besonders todesmutig zu bekämpfen: „Weil sie meine Freunde getötet haben.“ Die Bedrohungen des Krieges schweißen Männer zusammen, zu Kriegskameraden kann so eine aus der Not geborene sehr enge Beziehung zustande kommen. Zugleich erlaubt es der Krieg, männliche Kampfpotenz zu demonstrieren, indem man feindlichen Männern Geschosse in den Leib jagt. Das gibt zur Vermutung Anlass, dass sich der Krieg auch als eine eigentümliche heimliche homosexuelle Veranstaltung interpretieren lässt.

Der männliche Krieg

Kriege sind an bestimmte Formen der Männlichkeit gebunden. In früheren Epochen galt, dass ein Mann nur sein kann, wer seine Frau, seine Kinder und seinen Besitz mit der Waffe in der Hand verteidigen kann. In Schillers „Wallenstein“ heißt es: „Im Felde allein ist der Mann noch was wert.“ Zu Beginn des ersten Weltkrieges repräsentierte der Kriegsfreiwillige das Ideal des potenten Mannes. Bis zum zweiten Weltkrieg galt in Deutschland ein Offizier als idealer Ehemann für eine junge Frau aus der Mittelschicht.

Die militärische Ausbildung verbindet Männlichkeit mit soldatischen Einstellungen. Die während der Spätadoleszenz starken sexuellen Regungen junger Männer können während der militärischen Ausbildung mit der Bereitschaft zu destruktiven Handlungen verknüpft werden. Junge Männer, die vom weiblichen Geschlecht isoliert werden, können mit Hilfe der soldatischen Ausbildung dazu gebracht werden, ihre männliche Potenz mit militärischer Kampfbereitschaft zu verschweißen. Untersuchungen zeigen, dass die Motivation derer, die ihren Wehrdienst abzuleisten bereit sind, vor allem darin besteht, dass sie das Militär als Ort männlicher Bewährungen sehen, an dem sie bestehen wollen. Man geht nicht in erster Linie zur Bundeswehr, weil man sein Vaterland oder die demokratische Ordnung der Bundesrepublik verteidigen will, sondern weil man von Mama weg will und sich von der Bundeswehr einen männlichen Härtetest und männliche Abenteuer verspricht. Das Militär verheißt eine Art Initiationsritus, der den Zugang zu entwickelter Männlichkeit sichern soll.

Auch der terroristische Fundamentalismus ist mit einer spezifischen Form der Männlichkeit verknüpft. Er bringt nicht zuletzt eine Krise der Männlichkeit und der überkommenen Geschlechterordnung zum Ausdruck, welche die moderne Gesellschaft auslöst, indem sie die überkommenen Geschlechterrollen aufweicht. Die männlichen Fundamentalisten versuchen die Bedrohung der traditionellen Männerrolle dadurch abzuwehren, dass sie Frauen mit Gewalt wieder in traditionelle Rollen drängen. Die fundamentalistischen Vorstellungen vom Geschlechterverhältnis sehen klare Trennungen zwischen männlichen und weiblichen Geschlechtseigenschaften und Lebenssphären vor. Eine Männlichkeit, die sich derart rigide vom Weiblichen abtrennen will, zeigt eine besondere Tendenz zum Kriegerischen und Gewalttätigen. Auch das Dritte Reich, das auf eine Stabilisierung patriarchalischer Herrschaft aus war, indem es männliche und weibliche Geschlechterrollen auf extreme Weise aufzuspalten suchte, erzeugte eine Männlichkeit mit einer eigentümlichen Tendenz zur Tötungs- und Todesbereitschaft. Der Fundamentalismus will die Politik als Männersache erhalten oder sie wieder dazu machen. Auch in den westlichen Gesellschaften, die dem Terrorismus mit militärischen Mitteln entgegentreten, wird die Politik zunehmend wieder Männersache. Seit den Terroranschlägen in den USA haben die Frauen entscheidend an Einfluss auf die Politik verloren. In der Politik sind wieder harte, entschiedene Männer gefragt, von denen sich auch viele Frauen wieder allein Schutz versprechen.

Der endlose Krieg

Kriege hören nie auf, sie gehen in der Psyche der Menschen immer weiter. Während Kriegen werden mit der Aufhebung des Tötungstabus ungeheure Leidenschaften freigesetzt, die später nur schwer wieder unter Kontrolle zu bringen sind. Kriege führen bei Soldaten und der Zivilbevölkerung in großem Ausmaß zu extremen Traumatisierungen, die auch nach Kriegsende fortwirken. Hunderttausende von amerikanischen Vietnamveteranen leiden seit dem Vietnamkrieg unter schweren posttraumatischen Störungen. Frauen, die während Kriegen vergewaltigt wurden, sind häufig so schwer traumatisiert, dass es ihnen  kaum möglich ist, psychisch wieder zu einer Friedensrealität zurückzufinden. Dass jeder Krieg in gewisser Weise die Fortsetzung des vorherigen Krieges darstellt, ist nicht zuletzt im Fortwirken von Kriegstraumatisierungen begründet. Diese zeigen die Tendenz, zu dem zu führen, was der amerikanische Psychiater Chaim Shatan als „militarisierte Trauer“ bezeichnet hat. Eine Verarbeitung von Kriegstraumata, die zur Friedensfähigkeit führt, verlangt, dass die schmerzlichen Verluste von Freunden, Kameraden und Verwandten, ebenso wie von Idealen und Träumen, angemessen betrauert werden. Eine solche Trauerarbeit fordert menschliche Anteilnahme und eine gesicherte soziale Situation in Friedenszeiten. Wo diese nicht vorhanden ist, wirkt in der Psyche eine Tendenz zum Wiederholungszwang, die dazu drängt, sich von inneren Spannungen, welche die Kriegserfahrungen in der Psyche ausgelöst haben, durch die Flucht in immer neue Gewalttaten zu entlasten. Eine nicht gelingende Trauerarbeit verhindert die psychische Abrüstung. Die nicht geweinten Tränen erzeugen den Drang, statt ihrer immer neues Blut zu vergießen. Militarisierte Trauer bestimmt sicherlich zu weiten Teilen die Gewaltanwendung im Nahostkonflikt, auf dem Balkan oder in Afghanistan, das seit zwanzig Jahren keinen Frieden mehr kennt und in dem nahezu alle zivilen Strukturen zerstört sind.

Der erste Weltkrieg fand seine Fortsetzung im zweiten Weltkrieg. Der erste Weltkrieg war der erste industrialisierte Vernichtungskrieg; er stellte eine Vorschule für die Vernichtungsaktionen in und während des zweiten Weltkriegs dar. John Keegan, der führende britische Militärhistoriker, bemerkt: „Im ersten Weltkrieg begann das fabrikmäßige Massentöten, das im zweiten seinen erbarmungslosen Höhepunkt erreichte.“ Der erste Weltkrieg stellte Adolf Hitlers zentrale Bildungserfahrung dar. „Wir sind einst alle aus dieser Schule gekommen“, äußert er vor seinen Kumpanen im Hinblick auf das deutsche Heer, das im ersten Weltkrieg im Einsatz war. Dass man Menschen wie Ungeziefer mit Gas vernichten kann, haben er und seine Anhänger im ersten Weltkrieg gelernt. Der zweite Weltkrieg ist nur vor dem Hintergrund des ersten wirklich zu verstehen.

Heutige Kriege werden  immer vor dem Hintergrund des zweiten Weltkrieges erlebt und interpretiert. Kriegsgegner verurteilen Bombardierungen im Kosovokrieg oder in Afghanistan immer vor dem Hintergrund der traumatischen Erfahrungen mit Städtebombardierungen im zweiten Weltkrieg. Kriegsbefürworter legitimieren militärische Einsätze üblicherweise mit dem Hinweis darauf, dass der letzte Weltkrieg die Notwendigkeit militärischer Einsätze gegen terroristische politische Regime bewiesen habe. Sie vergessen dabei allerdings meistens, dass das faschistische Terrorregime nicht zuletzt als Produkt eines vorausgegangenen Krieges verstanden werden muss. Wo gegenwärtige Kriege mit dem Hinweis auf den Krieg gegen den Faschismus legitimiert werden, besteht die Tendenz, beim militärischen Gegner immer eine Art Hitlerersatz zu suchen. Saddam Hussein, Milosevic oder jetzt Bin Laden haben vor allem in der amerikanischen Kriegspropaganda die Aufgabe, den Hitlerstellvertreter zu symbolisieren.

Unser Terrorismus

„Warum gibt es eigentlich nicht noch mehr Terrorismus?“ Der Soziologe Norbert Elias hat in den siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts diese Frage aufgeworfen, die ihm als eine zentrale Frage bei der Auseinandersetzung mit dem Terrorismus erschien. Seine Feststellung bezog sich auf Varianten des linken Terrorismus. Auch für den gegenwärtigen fundamentalistischen Terrorismus gilt wohl die Feststellung, dass sein Verstehen voraussetzt, dass man sich darüber wundert, dass es in der bestehenden Welt nicht noch mehr Terroristen gibt. Nach Feststellungen der UNO leiden heute ca. 1 Milliarde Menschen ständig an Hunger, Zehntausende von ihnen sterben täglich an diesem. Millionen und Abermillionen Menschen sind weltweit ohne Arbeit. Sie sind ökonomisch betrachtet überzählig, für die Reproduktion der Gesellschaft sind sie nicht zu gebrauchen. Die Arbeitslosenforschung hat aufgezeigt, welche fatalen Folgen die Arbeitslosigkeit für die von ihr Betroffenen haben kann. Die kulturellen Traditionen, in denen Menschen bisher existiert haben, werden heute häufig von einer industrialisierten westlichen Massenkultur niedergewalzt. Viele Menschen, nicht zuletzt auch in den hochentwickelten westlichen Gesellschaften, fühlen sich heute ohnmächtig gegenüber gesellschaftlichen Großorganisationen. Sie fühlen sich als winziges Rädchen in einem anonymen sozialen Getriebe. Bei uns besteht die Tendenz, dass eine entfesselte Ökonomie immer mehr die demokratischen Potenziale der Gesellschaft aushöhlt. Demokratie reduziert sich bei uns immer mehr auf das Recht, sich freiwillig an ökonomische Zwänge anpassen zu dürfen, wobei diese Anpassung keineswegs eine gesicherte ökonomische Zukunft garantiert. Gesellschaftliche Zustände oder Entwicklungstendenzen sorgen dafür, dass sich in unserer Welt sehr viele Menschen als vom sozialen Tod bedroht erfahren müssen. Für sie scheint zu gelten, was Brecht in seinem „Großen Dankchoral“ singen lässt: „Es kommt nicht auf euch an/und ihr könnt unbesorgt sterben.“ Ist es da ein Wunder, dass manche von diesen Menschen vor ihrem Abgang den Drang verspüren, dieser Welt den Krieg zu erklären und ihre Ohnmachtserfahrungen dadurch zu kompensieren, dass sie ihre Mitmenschen in Angst und Schrecken versetzen?

Die bestehende Weltgesellschaft verlangt dringend Änderungen hin zu mehr Gerechtigkeit und Mitgestaltungsmöglichkeiten. Zugleich befinden wir uns heute im Zeitalter des „real existierenden Opportunismus“. Die meisten Menschen kommen sich heute sehr aufgeklärt und nüchtern vor, wenn sie die Welt so akzeptieren, wie sie ist, und nichts mehr grundlegend an ihr ändern wollen. Veränderungen sollen nur noch die Rationalisierung des Bestehenden bewirken, wirklich Anderes soll ausgeschlossen sein. Diejenigen, die noch etwas grundlegend ändern wollen, gelten als verrückte Spinner, und leider verhalten sich diese nicht selten auch so. Die Menschen wollen zwar Veränderungen, aber sie haben zugleich eine riesige Angst davor, dass sich wirklich etwas ändert. Dem entspricht der Zustand im Wissenschaftsbetrieb. Die Universitäten zeichnen sich heute durch eine Liquidierung von Räumen für soziale und intellektuelle Suchbewegungen aus. Wo das Nachdenken über vernünftige, aufgeklärte Alternativen zum Bestehenden blockiert ist, mit denen sich Menschen identifizieren können, nimmt die Kritik am Bestehenden notwendig irrationale Züge an. Wo intellektuell begründete Perspektiven für die Zukunft fehlen, die für Menschen attraktiv erscheinen, nehmen der Wunsch nach Veränderung, der den Menschen nicht auszutreiben ist, ebenso wie der Widerstand gegen das Bestehende unvermeidlich wahnhafte und zerstörerische Züge an. Wer notwendige gesellschaftliche Veränderungen nicht auf aufgeklärte Art mitgestalten kann oder will, sorgt dafür, dass solche Veränderungen eine fatale Gestalt annehmen. Wer dem Terrorismus wirklich die Basis entziehen möchte, müsste sich darum bemühen, dass sich nicht nur in Afghanistan, sondern auch bei uns vieles ändert.

Bremen, 10.12.01